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Urteil

EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Az.: C-101/01 (Nennung von Personendaten im Internet)

URTEIL DES GERICHTSHOFES

Richtlinie 95/46/EG - Anwendungsbereich - Veroeffentlichung personenbezogener Daten im Internet - Ort der Veroeffentlichung - Begriff der uebermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland - Meinungsfreiheit - Vereinbarkeit eines weiter gehenden Schutzes personenbezogener Daten nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit der Richtlinie 95/46

In der Rechtssache C-101/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Goeta hovraett (Schweden) in dem bei diesem anhaengigen Strafverfahren gegen

Bodil Lindqvist

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung insbesondere ueber die Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europaeischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natuerlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31)

erlaesst

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Praesidenten der Ersten Kammer P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Praesidenten, der Kammerpraesidenten C. W. A. Timmermans, C. Gulmann, J. N. Cunha Rodrigues und A. Rosas sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter) und J.-P. Puissochet, der Richterin F. Macken und des Richters S. von Bahr,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

unter Beruecksichtigung der schriftlichen Erklaerungen

- von B. Lindqvist, vertreten durch S. Larsson, advokat,

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmaechtigten,

- der niederlaendischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmaechtigte,

- der Regierung des Vereinigten Koenigreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmaechtigte im Beistand von J. Stratford, Barrister,

- der Kommission der Europaeischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Stroem und X. Lewis als Bevollmaechtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhoerung der muendlichen Ausfuehrungen von B. Lindqvist, vertreten durch S. Larsson, der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse und B. Hernqvist als Bevollmaechtigte, der niederlaendischen Regierung, vertreten durch J. van Bakel als Bevollmaechtigte, der Regierung des Vereinigten Koenigreichs, vertreten durch J. Stratford, der Kommission, vertreten durch L. Stroem und C. Docksey als Bevollmaechtigten, und der EFTA-ueberwachungsbehoerde, vertreten durch D. Sif Tynes als Bevollmaechtigte, in der Sitzung vom 30. April 2002,

nach Anhoerung der Schlussantraege des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. September 2002

folgendes

Urteil

1.

Das Goeta hovraett hat mit Beschluss vom 23. Februar 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Maerz 2001, gemaess Artikel 234 EG sieben Fragen insbesondere nach der Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europaeischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natuerlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Fragen stellen sich in einem bei diesem Gericht anhaengigen Strafverfahren gegen Frau Lindqvist, die angeklagt ist, gegen die schwedischen Rechtsvorschriften ueber den Schutz personenbezogener Daten verstossen zu haben, indem sie auf ihrer Website im Internet personenbezogene Daten ueber eine Reihe von Personen veroeffentlicht habe, die wie sie ehrenamtlich in einer Gemeinde der protestantischen Kirche von Schweden taetig seien.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3.
Wie aus ihrem Artikel 1 Absatz 1 hervorgeht, bezweckt die Richtlinie 95/46 den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphaere natuerlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.
4.
Artikel 3 der Richtlinie 95/46 bestimmt ueber deren Anwendungsbereich:

(1) Diese Richtlinie gilt fuer die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie fuer die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten,

- die fuer die Ausuebung von Taetigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Taetigkeiten gemaess den Titeln V und VI des Vertrags ueber die Europaeische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die oeffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschliesslich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates beruehrt) und die Taetigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich;

- die von einer natuerlichen Person zur Ausuebung ausschliesslich persoenlicher oder familiaerer Taetigkeiten vorgenommen wird.

5.
Artikel 8 (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten) der Richtlinie 95/46 sieht vor:

(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religioese oder philosophische ueberzeugungen oder die Gewerkschaftszugehoerigkeit hervorgehen, sowie von Daten ueber Gesundheit oder Sexualleben.

(2) Absatz 1 findet in folgenden Faellen keine Anwendung:

a) Die betroffene Person hat ausdruecklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, es sei denn, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden;

oder

b) die Verarbeitung ist erforderlich, um den Rechten und Pflichten des fuer die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulaessig ist;

oder

c) die Verarbeitung ist zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder eines Dritten erforderlich, sofern die Person aus physischen oder rechtlichen Gruenden ausserstande ist, ihre Einwilligung zu geben;

oder

d) die Verarbeitung erfolgt auf der Grundlage angemessener Garantien durch eine politisch, philosophisch, religioes oder gewerkschaftlich ausgerichtete Stiftung, Vereinigung oder sonstige Organisation, die keinen Erwerbszweck verfolgt, im Rahmen ihrer rechtmaessigen Taetigkeiten und unter der Voraussetzung, dass sich die Verarbeitung nur auf die Mitglieder der Organisation oder auf Personen, die im Zusammenhang mit deren Taetigkeitszweck regelmaessige Kontakte mit ihr unterhalten, bezieht und die Daten nicht ohne Einwilligung der betroffenen Personen an Dritte weitergegeben werden;

oder

e) die Verarbeitung bezieht sich auf Daten, die die betroffene Person offenkundig oeffentlich gemacht hat, oder ist zur Geltendmachung, Ausuebung oder Verteidigung rechtlicher Ansprueche vor Gericht erforderlich.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Verarbeitung der Daten zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung oder Behandlung oder fuer die Verwaltung von Gesundheitsdiensten erforderlich ist und die Verarbeitung dieser Daten durch aerztliches Personal erfolgt, das nach dem einzelstaatlichen Recht, einschliesslich der von den zustaendigen einzelstaatlichen Stellen erlassenen Regelungen, dem Berufsgeheimnis unterliegt, oder durch sonstige Personen, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen.

(4) Die Mitgliedstaaten koennen vorbehaltlich angemessener Garantien aus Gruenden eines wichtigen oeffentlichen Interesses entweder im Wege einer nationalen Rechtsvorschrift oder im Wege einer Entscheidung der Kontrollstelle andere als die in Absatz 2 genannten Ausnahmen vorsehen.

(5) Die Verarbeitung von Daten, die Straftaten, strafrechtliche Verurteilungen oder Sicherungsmassregeln betreffen, darf nur unter behoerdlicher Aufsicht oder aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, erfolgen, wobei ein Mitgliedstaat jedoch Ausnahmen aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die geeignete besondere Garantien vorsehen, festlegen kann. Ein vollstaendiges Register der strafrechtlichen Verurteilungen darf allerdings nur unter behoerdlicher Aufsicht gefuehrt werden.

Die Mitgliedstaaten koennen vorsehen, dass Daten, die administrative Strafen oder zivilrechtliche Urteile betreffen, ebenfalls unter behoerdlicher Aufsicht verarbeitet werden muessen.

(6) Die in den Absaetzen 4 und 5 vorgesehenen Abweichungen von Absatz 1 sind der Kommission mitzuteilen.

(7) Die Mitgliedstaaten bestimmen, unter welchen Bedingungen eine nationale Kennziffer oder andere Kennzeichen allgemeiner Bedeutung Gegenstand einer Verarbeitung sein duerfen.

6.
Artikel 9 (Verarbeitung personenbezogener Daten und Meinungsfreiheit) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

Die Mitgliedstaaten sehen fuer die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, kuenstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphaere mit den fuer die Freiheit der Meinungsaeusserung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.

7.
Nach Artikel 13 (Ausnahmen und Einschraenkungen) der Richtlinie 95/46 koennen die Mitgliedstaaten Beschraenkungen bestimmter den fuer die Verarbeitung Verantwortlichen nach der Richtlinie obliegender Pflichten, insbesondere hinsichtlich der Information der betreffenden Personen, vorsehen, sofern diese Beschraenkungen beispielsweise fuer die Sicherheit des Staates, die Landesverteidigung, die oeffentliche Sicherheit, ein wichtiges wirtschaftliches oder finanzielles Interesse eines Mitgliedstaats oder der Europaeischen Union oder die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten oder Verstoessen gegen die berufsstaendischen Regeln bei reglementierten Berufen notwendig sind.
8.
Artikel 25 in Kapitel IV (uebermittlung personenbezogener Daten in Drittlaender) der Richtlinie 95/46 lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die uebermittlung personenbezogener Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind oder nach der uebermittlung verarbeitet werden sollen, in ein Drittland vorbehaltlich der Beachtung der aufgrund der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften zulaessig ist, wenn dieses Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewaehrleistet.

(2) Die Angemessenheit des Schutzniveaus, das ein Drittland bietet, wird unter Beruecksichtigung aller Umstaende beurteilt, die bei einer Datenuebermittlung oder einer Kategorie von Datenuebermittlungen eine Rolle spielen; insbesondere werden die Art der Daten, die Zweckbestimmung sowie die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland, die in dem betreffenden Drittland geltenden allgemeinen oder sektoriellen Rechtsnormen sowie die dort geltenden Standesregeln und Sicherheitsmassnahmen beruecksichtigt.

(3) Die Mitgliedstaaten und die Kommission unterrichten einander ueber die Faelle, in denen ihres Erachtens ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 gewaehrleistet.

(4) Stellt die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 31 Absatz 2 fest, dass ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels aufweist, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Massnahmen, damit keine gleichartige Datenuebermittlung in das Drittland erfolgt.

(5) Zum geeigneten Zeitpunkt leitet die Kommission Verhandlungen ein, um Abhilfe fuer die gemaess Absatz 4 festgestellte Lage zu schaffen.

(6) Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 31 Absatz 2 feststellen, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen, die es insbesondere infolge der Verhandlungen gemaess Absatz 5 eingegangen ist, hinsichtlich des Schutzes der Privatsphaere sowie der Freiheiten und Grundrechte von Personen ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 gewaehrleistet.

Die Mitgliedstaaten treffen die aufgrund der Feststellung der Kommission gebotenen Massnahmen.

9.
Beim Erlass der Richtlinie 95/46 liess das Koenigreich Schweden folgende Erklaerung zu Artikel 9 der Richtlinie in das Protokoll der Tagung des Rates (Dokument Nr. 4649/95 des Rates vom 2. Februar 1995) aufnehmen:

Das Koenigreich Schweden ist der Auffassung, dass sich der Begriff des kuenstlerischen und literarischen Schaffens eher auf die Ausdrucksmittel als auf den Inhalt der Mitteilung oder deren Qualitaet bezieht.

10.
Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europaeische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sieht in Artikel 8 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vor und enthaelt in Artikel 10 Bestimmungen ueber die freie Meinungsaeusserung.

Nationales Recht

11.
Die Richtlinie 95/46 wurde mit dem Personuppgiftslag, SFS 1998, Nr. 204 (schwedisches Gesetz ueber personenbezogene Daten, im Folgenden: PUL), in schwedisches Recht umgesetzt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12.
Neben ihrer unselbstaendigen Beschaeftigung als Reinigungskraft war Frau Lindqvist als Katechetin in der Kirchengemeinde Alseda (Schweden) taetig. Sie besuchte einen Informatikkurs, in dessen Rahmen sie u.a. eine Startseite im Internet einzurichten hatte. Ende 1998 richtete Frau Lindqvist zu Hause auf ihrem eigenen Computer Internetseiten ein, um den Konfirmanden ihrer Gemeinde den Zugang zu Informationen, die sie moeglicherweise benoetigten, zu erleichtern. Auf ihren Antrag stellte der Administrator der Website der Kirche von Schweden eine Verbindung zwischen diesen Seiten und der Website her.
13.
Die fraglichen Internetseiten enthielten Informationen ueber Frau Lindqvist und achtzehn ihrer Arbeitskollegen der Gemeinde; dabei wurde entweder der vollstaendige Name oder manchmal auch nur der Vorname genannt. Ausserdem beschrieb Frau Lindqvist in leicht humoriger Weise die Taetigkeiten und Freizeitbeschaeftigungen ihrer Kollegen. Bei einigen von ihnen bezeichnete sie die Familienverhaeltnisse, nannte die Telefonnummer oder erteilte weitere Informationen. Bei einer Kollegin wies sie darauf hin, dass sich diese am Fuss verletzt habe und partiell krankgeschrieben sei.
14.
Frau Lindqvist hatte weder ihre Kollegen vom Bestehen dieser Internetseiten unterrichtet noch deren Einwilligung eingeholt, noch hatte sie ihr Vorgehen der Datainspektion (oeffentliche Einrichtung zum Schutz von auf elektronischem Wege uebermittelten Daten) gemeldet. Als sie erfuhr, dass die fraglichen Seiten von einigen ihrer Kollegen missbilligt wurden, entfernte sie sie sofort wieder.
15.
Die Staatsanwaltschaft leitete gegen Frau Lindqvist Strafverfolgungsmassnahmen wegen Verstosses gegen das PUL ein und beantragte ihre Verurteilung mit der Begruendung, sie habe

- personenbezogene Daten in einem automatisierten Verfahren verarbeitet, ohne dies zuvor der Datainspektion schriftlich gemeldet zu haben (Artikel 36 PUL),

- sensible personenbezogene Daten, naemlich ueber eine Fussverletzung und eine Teilkrankschreibung, ohne Genehmigung verarbeitet (Artikel 13 PUL),

- ohne Genehmigung verarbeitete personenbezogene Daten in ein Drittland uebermittelt (Artikel 33 PUL).

16.
Frau Lindqvist raeumte den Sachverhalt ein, liess sich aber dahin gehend ein, dass sie keine Straftat begangen habe. Nachdem sie vom Eksjoe tingsraett (Schweden) zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden war, legte sie gegen diese Entscheidung beim vorlegenden Gericht Berufung ein.
17.
Die Geldstrafe belief sich auf 4 000 SEK, wobei der nach den finanziellen Verhaeltnissen von Frau Lindqvist ermittelte Betrag von 100 SEK mit dem der Schwere des Verstosses entsprechenden Koeffizienten 40 multipliziert wurde. Ausserdem wurde Frau Lindqvist zur Zahlung von 300 SEK an einen schwedischen Fonds zur Unterstuetzung von Opfern von Straftaten verurteilt.
18.
Da das Goeta hovraett Zweifel hinsichtlich der Auslegung des auf den vorliegenden Fall anwendbaren Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Richtlinie 95/46, hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Faellt die Nennung einer Person (mit Namen oder mit Namen und Telefonnummer) auf einer Startseite im Internet in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46? Liegt eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten vor, wenn auf einer persoenlich eingerichteten Startseite im Internet eine Reihe von Personen genannt und Angaben ueber ihr Arbeitsverhaeltnis, ihre Freizeitinteressen u.a. gemacht werden?

2. Wenn die vorstehende Frage zu verneinen ist: Kann die Einrichtung besonderer Seiten fuer etwa fuenfzehn Personen im Rahmen einer Startseite im Internet mit Links zwischen den Seiten, die eine namentliche Suche ermoeglichen, als eine nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, im Sinne von Artikel 3 Satz 1 angesehen werden?

Fuer den Fall, dass eine dieser Fragen zu bejahen ist, stellt das Hovraett weiter folgende Fragen:

3. Kann die Eingabe von Daten der genannten Art ueber Arbeitskollegen auf einer privaten Startseite, die jedoch fuer alle, die die Adresse der Seite kennen, zugaenglich ist, aufgrund einer der Ausnahmen des Artikels 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 als nicht unter die Richtlinie fallend angesehen werden?

4. Gehoert die Angabe auf einer Startseite, dass ein namentlich genannter Arbeitskollege sich den Fuss verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, zu den personenbezogenen Daten ueber die Gesundheit, die nach Artikel 8 Absatz 1 nicht verarbeitet werden duerfen?

5. Die uebermittlung personenbezogener Daten in Drittstaaten ist gemaess der Richtlinie 95/46 in bestimmten Faellen verboten. Liegt eine uebermittlung von Daten in Drittstaaten im Sinne dieser Richtlinie vor, wenn jemand in Schweden mit Hilfe eines Rechners personenbezogene Daten auf einer Startseite, die auf einem Server in Schweden gespeichert ist, veroeffentlicht, wodurch diese Daten Personen in Drittlaendern zugaenglich werden? Waere diese Frage genauso zu beantworten, wenn, soweit bekannt, niemand in einem Drittland tatsaechlich Kenntnis von den Daten erlangt hat oder wenn sich der betreffende Server rein raeumlich in einem Drittland befindet?

6. Stellen die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 in einem Fall wie dem vorliegenden Beschraenkungen dar, die im Widerspruch zu den allgemeinen Grundsaetzen im Bereich der Meinungsfreiheit oder zu anderen Freiheiten und Rechten stehen, die innerhalb der Europaeischen Union gelten und u.a. eine Entsprechung in Artikel 10 der Europaeischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten haben?

Schliesslich legt das Hovraett folgende Frage vor:

7. Kann ein Mitgliedstaat unter den in den vorstehenden Fragen geschilderten Umstaenden einen weiter gehenden Schutz fuer personenbezogene Daten vorsehen oder den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 erweitern, auch wenn keine der Voraussetzungen des Artikels 13 vorliegt?

Zur ersten Frage

19.
Mit seiner ersten Frage moechte das vorlegende Gericht wissen, ob die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und sie entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen ueber ihr Arbeitsverhaeltnis oder ihre Freizeitbeschaeftigungen, erkennbar zu machen, eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 darstellt.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklaerungen

20.
Nach Ansicht von Frau Lindqvist ist die Annahme abwegig, dass die blosse namentliche Nennung einer Person oder die blosse Angabe personenbezogener Daten in einem auf einer Internetseite enthaltenen Text eine automatisierte Verarbeitung von Daten darstelle. Dagegen koenne die Aufnahme solcher Daten als Stichwoerter in die meta tags einer Internetseite, die es ermoegliche, eine Indexierung vorzunehmen und diese Seite durch eine Suchmaschine aufzufinden, eine solche Verarbeitung darstellen.
21.
Die schwedische Regierung vertritt die Ansicht, der Begriff Verarbeitung ganz oder teilweise automatisierter personenbezogener Daten, der auf den Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 abstelle, umfasse alle elektronischen Datenverarbeitungen, d.h. Verarbeitungen von Binaerdateien. Sobald also personenbezogene Daten mit einem Rechner, sei es mittels eines Textverarbeitungsprogramms oder etwa zur Aufnahme in eine Internetseite, verarbeitet wuerden, seien sie Gegenstand einer von der Richtlinie 95/46 erfassten Verarbeitung.
22.
Die niederlaendische Regierung macht geltend, die Aufnahme personenbezogener Daten in eine Internetseite erfolge mit Hilfe eines Rechners und eines Servers, was ein wesentliches Merkmal der Automatisierung darstelle, so dass von einer automatisierten Verarbeitung dieser Daten auszugehen sei.
23.
Die Kommission fuehrt aus, die Richtlinie 95/46 sei unabhaengig von den verwendeten technischen Mitteln auf jede Verarbeitung personenbezogener Daten anwendbar, auf die sich ihr Artikel 3 beziehe. Die Bereitstellung personenbezogener Daten im Internet stelle daher eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung dar, sofern die Verarbeitung nicht aus technischen Gruenden auf einen lediglich manuellen Vorgang beschraenkt sei. Schon ihrer Natur nach falle eine Internetseite daher in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46.

Antwort des Gerichtshofes

24.
Der in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 verwendete Begriff personenbezogene Daten bezieht sich nach der Definition ihres Artikels 2 Buchstabe a auf alle Informationen ueber eine bestimmte oder bestimmbare natuerliche Person. Dieser Ausdruck erfasst eindeutig die Nennung des Namens einer Person in Verbindung mit deren Telefonnummern oder mit Informationen ueber ihr Arbeitsverhaeltnis oder ihre Freizeitbeschaeftigungen.
25.
Der in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 verwendete Begriff Verarbeitung personenbezogener Daten umfasst nach der Definition in Artikel 3 Buchstabe b jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgefuehrten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten. Diese Bestimmung fuehrt mehrere Beispiele fuer solche Vorgaenge an, darunter die Weitergabe durch uebermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung von Daten. Der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Internetseite zu stellen, ist somit als eine solche Verarbeitung anzusehen.
26.
Zu bestimmen bleibt noch, ob diese Verarbeitung ganz oder teilweise automatisiert ist. Hierzu ist festzustellen, dass es zur Wiedergabe von Informationen auf einer Internetseite nach den gegenwaertig angewandten technischen und EDV-Verfahren eines Hochladens dieser Seite auf einen Server sowie der erforderlichen Vorgaenge bedarf, um diese Seite den mit dem Internet verbundenen Personen zugaenglich zu machen. Diese Vorgaenge erfolgen zumindest teilweise in automatisierter Form.
27.
Mithin ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und diese entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen ueber ihr Arbeitsverhaeltnis oder ihre Freizeitbeschaeftigungen, erkennbar zu machen, eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 darstellt.

Zur zweiten Frage

28.
Da die erste Frage bejaht worden ist, ist die zweite Frage, die nur fuer den Fall einer Verneinung der ersten Frage vorgelegt worden ist, nicht zu beantworten.

Zur dritten Frage

29.
Mit seiner dritten Frage moechte das nationale Gericht wissen, ob eine Verarbeitung personenbezogener Daten wie die, auf die sich die erste Frage bezieht, unter eine der in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 genannten Ausnahmen faellt.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklaerungen

30.
Frau Lindqvist traegt vor, eine Privatperson, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch mache und im Rahmen einer nicht auf Gewinnerzielung gerichteten Taetigkeit oder als Freizeitbeschaeftigung Internetseiten einrichte, uebe keine wirtschaftliche Taetigkeit aus und sei somit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts entzogen. Wenn der Gerichtshof gegenteiliger Auffassung sein sollte, wuerde sich die Frage nach der Gueltigkeit der Richtlinie 95/46 stellen, da dann der Gemeinschaftsgesetzgeber mit deren Erlass ueber die ihm in Artikel 100a EG-Vertrag (nach aenderung jetzt Artikel 95 EG) verliehenen Befugnisse hinausgegangen waere. Die Rechtsangleichung, die auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes gerichtet sei, koenne naemlich nicht als Rechtsgrundlage fuer Massnahmen der Gemeinschaft dienen, die das Recht von Privatpersonen auf freie Meinungsaeusserung im Internet regelten.
31.
Die schwedische Regierung macht geltend, bei der Umsetzung der Richtlinie 95/46 in innerstaatliches Recht sei der schwedische Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine natuerliche Person dergestalt, dass diese Daten, z.B. ueber das Internet, an eine unbestimmte Zahl von Empfaengern uebermittelt wuerden, nicht als Ausuebung ausschliesslich persoenlicher oder familiaerer Taetigkeiten im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 angesehen werden koenne. Es sei jedoch nicht auszuschliessen, dass die Ausnahme des Artikels 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich den Fall betreffe, dass eine natuerliche Person allein im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit und ohne Bezug zu irgend einer beruflichen oder kommerziellen Taetigkeit personenbezogene Daten auf einer Internetseite veroeffentliche.
32.
Nach Ansicht der niederlaendischen Regierung faellt eine automatisierte Verarbeitung von Daten wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, unter keine der Ausnahmen des Artikels 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46. Soweit es speziell um die Ausnahme des zweiten Gedankenstrichs dieser Bestimmung gehe, bringe der Einrichter einer Internetseite die darin aufgenommenen Daten einer grundsaetzlich unbestimmten Gruppe von Personen zur Kenntnis.
33.
Nach Auffassung der Kommission kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Internetseite wie die im Ausgangsverfahren fragliche dem Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 nach deren Artikel 3 Absatz 2 entzogen sei; angesichts ihres Zweckes stelle sie vielmehr eine kuenstlerische und literarische Schoepfung im Sinne von Artikel 9 der Richtlinie 95/46 dar.
34.
Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 lasse zwei verschiedene Auslegungen zu. Nach der einen Auslegung werde der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf die beispielhaft genannten Bereiche, naemlich Taetigkeiten, die im Wesentlichen zur so genannten ersten Saeule und zur so genannten zweiten Saeule gehoerten, beschraenkt. Nach der anderen sei die Ausuebung aller nicht vom Gemeinschaftsrecht erfassten Taetigkeiten dem Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 entzogen.
35.
Das Gemeinschaftsrecht gelte nicht nur fuer wirtschaftliche Taetigkeiten, die mit den vier Grundfreiheiten in Zusammenhang stuenden.Aus der Rechtsgrundlage der Richtlinie 95/46, deren Zweck, Artikel 6 EU, der am 18. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europaeischen Union (ABl. C 364, S. 1) und dem uebereinkommen des Europarats vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten sei zu schliessen, dass diese Richtlinie bezwecke, den freien Verkehr personenbezogener Daten als Ausdruck nicht nur einer wirtschaftlichen, sondern auch einer sozialen Taetigkeit im Rahmen der Integration und des Funktionierens des Binnenmarktes zu regeln.
36.
Zudem koennte ein allgemeiner Ausschluss von Internetseiten, die keine kommerziellen oder dienstleistungsbezogenen Elemente enthielten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 zu schwerwiegenden Abgrenzungsproblemen fuehren. Dann koennten naemlich viele personenbezogene Daten enthaltende Internetseiten, die darauf gerichtet seien, bestimmte Personen zu bestimmten Zwecken zu stigmatisieren, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen sein.

Antwort des Gerichtshofes

37.
Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 sieht zwei Ausnahmen von deren Anwendungsbereich vor.
38.
Die erste Ausnahme betrifft die Verarbeitung personenbezogener Daten, die fuer die Ausuebung von Taetigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Taetigkeiten gemaess den Titeln V und VI des Vertrags ueber die Europaeische Union, und jedenfalls Verarbeitungen betreffend die oeffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschliesslich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn diese Verarbeitungen die Sicherheit des Staates beruehren) und die Taetigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich.
39.
Da die Taetigkeiten von Frau Lindqvist, um die es im Ausgangsverfahren geht, im Wesentlichen nicht wirtschaftlicher, sondern ehrenamtlicher und religionsgemeinschaftlicher Natur sind, ist zu pruefen, ob sie die Verarbeitung personenbezogener Daten, die fuer die Ausuebung von Taetigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 darstellen.
40.
Zu der auf Artikel 100a EG-Vertrag gestuetzten Richtlinie 95/46 hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Heranziehung von Artikel 100a EG-Vertrag als Rechtsgrundlage nicht voraussetzt, dass in jedem Einzelfall, der von dem auf dieser Rechtsgrundlage ergangenen Rechtsakt erfasst wird, tatsaechlich ein Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen Mitgliedstaaten besteht (vgl. Urteil vom 20. Mai 2003 in den Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01, oesterreichischer Rundfunk u.a., Slg. 2003, I-0000, Randnr. 41 und die dort angefuehrte Rechtsprechung).
41.
Die gegenteilige Auslegung wuerde naemlich dazu fuehren, dass die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46 ungewiss waere und von Zufaelligkeiten abhinge, was ihrem Hauptzweck zuwiderliefe, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, um Hindernisse fuer das Funktionieren des Binnenmarktes zu beseitigen, die sich gerade aus den Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen ergeben (Urteil oesterreichischer Rundfunk u.a., Randnr. 42).
42.
Unter diesen Umstaenden waere es unangebracht, den Ausdruck Taetigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen dahin auszulegen, dass in jedem Einzelfall geprueft werden muesste, ob die betreffende konkrete Taetigkeit den freien Verkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar beeintraechtigt.
43.
Die in Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 beispielhaft aufgefuehrten Taetigkeiten (naemlich solche nach den Titeln V und VI des Vertrags ueber die Europaeische Union sowie Verarbeitungen betreffend die oeffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates und die Taetigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich) sind jedenfalls spezifische Taetigkeiten der Staaten oder der staatlichen Stellen und haben mit den Taetigkeitsbereichen von Einzelpersonen nichts zu tun.
44.
Daher ist davon auszugehen, dass die in Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 als Beispiele aufgefuehrten Taetigkeiten dazu dienen sollen, den Anwendungsbereich der dort geregelten Ausnahme festzulegen, so dass diese nur fuer Taetigkeiten gilt, die entweder dort ausdruecklich genannt sind oder derselben Kategorie zugeordnet werden koennen (ejusdem generis).
45.
Ehrenamtliche oder religionsgemeinschaftliche Taetigkeiten, wie sie von Frau Lindqvist ausgeuebt werden, sind jedoch den in Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 genannten Taetigkeiten nicht gleichzustellen und werden daher von dieser Ausnahme nicht erfasst.
46.
Als Beispiele fuer die in Artikel 3 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 geregelte Ausnahme werden in der zwoelften Begruendungserwaegung dieser Richtlinie die Datenverarbeitung, die von einer natuerlichen Person in Ausuebung ausschliesslich persoenlicher oder familiaerer Taetigkeiten vorgenommen wird, sowie der Schriftverkehr und die Fuehrung von Anschriftenverzeichnissen genannt.
47.
Diese Ausnahme ist somit dahin auszulegen, dass mit ihr nur Taetigkeiten gemeint sind, die zum Privat- oder Familienleben von Einzelpersonen gehoeren, was offensichtlich nicht der Fall ist bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die in deren Veroeffentlichung im Internet besteht, so dass diese Daten einer unbegrenzte Zahl von Personen gemacht werden.
48.
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten wie die in der Antwort auf die erste Frage angefuehrte unter keine der in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 genannten Ausnahmen faellt.

Zur vierten Frage

49.
Mit seiner vierten Frage moechte das vorlegende Gericht wissen, ob die Angabe, dass sich eine Person den Fuss verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, zu den personenbezogenen Daten ueber die Gesundheit im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 gehoert.
50.
Angesichts des Zweckes der Richtlinie 95/46 ist der in ihrem Artikel 8 Absatz 1 verwendete Begriff Daten ueber Gesundheit in dem Sinne weit auszulegen, dass er sich auf alle Informationen bezieht, die die Gesundheit einer Person unter allen Aspekten - koerperlichen wie psychischen - betreffen.
51.
Mithin ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Angabe, dass sich eine Person den Fuss verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, zu den personenbezogenen Daten ueber die Gesundheit im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 gehoert.

Zur fuenften Frage

52.
Mit der fuenften Frage des vorlegenden Gerichts soll geklaert werden, ob eine uebermittlung von Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 vorliegt, wenn eine Person, die sich in einem Mitgliedstaat befindet, in eine Internetseite, die bei einer in demselben oder einem anderen Mitgliedstaat ansaessigen natuerlichen oder juristischen Person gespeichert ist, die die Website unterhaelt, auf der diese Seite abgerufen werden kann (im Folgenden: Host-Service-Provider), personenbezogene Daten aufnimmt und sie damit jeder Person, die eine Verbindung zum Internet herstellt, einschliesslich Personen in Drittlaendern, zugaenglich macht. Das vorlegende Gericht fragt weiter, ob die Frage genauso zu beantworten waere, wenn sich zeigt, dass tatsaechlich kein Angehoeriger eines Drittlands von diesen Daten Kenntnis erlangt hat oder dass sich der Server, auf dem die Seite gespeichert ist, rein raeumlich in einem Drittland befindet.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklaerungen

53.
Die Kommission und die schwedische Regierung vertreten die Auffassung, die Aufnahme personenbezogener Daten in eine Internetseite mittels eines Rechners dergestalt, dass diese Daten Angehoerigen von Drittlaendern zugaenglich gemacht wuerden, stelle eine uebermittlung von Daten in Drittlaender im Sinne der Richtlinie 95/46 dar. Die Antwort sei die gleiche, wenn kein Angehoeriger eines Drittlands von diesen Daten tatsaechlich Kenntnis erlange oder wenn sich der Server, auf dem sie gespeichert seien, rein raeumlich in einem Drittland befinde.
54.
Die niederlaendische Regierung weist darauf hin, dass der Begriff uebermittlung in der Richtlinie 95/46 nicht definiert sei. Zum einen sei dieser Begriff dahin auszulegen, dass er sich auf eine Handlung beziehe, mit der bewusst personenbezogene Daten vom Gebiet eines Mitgliedstaats in ein Drittland uebermittelt werden sollten; zum anderen sei es nicht moeglich, zwischen den einzelnen Formen zu unterscheiden, in denen die Daten Dritten zugaenglich gemacht wuerden. Infolgedessen koenne die Aufnahme personenbezogener Daten in eine Internetseite mittels eines Rechners nicht als uebermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 angesehen werden.
55.
Die Regierung des Vereinigten Koenigreich macht geltend, Artikel 25 der Richtlinie 95/46 beziehe sich auf die uebermittlung von Daten in ein Drittland und nicht auf die Frage, inwieweit aus diesen Laendern Zugang zu diesen Daten bestehe. Der Begriff uebermittlung setze voraus, dass Daten durch eine an einem bestimmten Ort befindliche Person an eine an einem anderen Ort befindliche dritte Person uebermittelt wuerden. Nur fuer den Fall einer solchen uebermittlung schreibe Artikel 25 der Richtlinie 95/46 den Mitgliedstaaten vor, fuer einen angemessenen Schutz der personenbezogenen Daten in einem Drittland zu sorgen.

Antwort des Gerichtshofes

56.
Die Richtlinie 95/46 definiert den Begriff uebermittlung in ein Drittland weder in Artikel 25 noch in irgendeiner anderen Bestimmung, insbesondere auch nicht in Artikel 2.
57.
Bei der Pruefung der Frage, ob die Aufnahme personenbezogener Daten in eine Internetseite schon deshalb eine uebermittlung dieser Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 darstellt, weil die Daten durch diese Aufnahme den in diesem Drittland befindlichen Personen zugaenglich gemacht werden, sind zum einen die technische Seite der damit verbundenen Vorgaenge und zum anderen der Zweck und die Systematik von Kapitel IV der Richtlinie 95/46, in dem Artikel 25 steht, zu beruecksichtigen.
58.
Die im Internet zu findenden Informationen koennen fast jederzeit von einer unbestimmten Zahl von Personen von den verschiedensten Orten aus abgerufen werden. Die umfassende Abrufbarkeit dieser Informationen folgt insbesondere daraus, dass die beim Internet verwendeten technischen Mittel verhaeltnismaessig einfach und immer weniger kostspielig sind.
59.
Nach den Modalitaeten fuer die Benutzung des Internets, wie sie in den 1990er Jahren fuer Einzelpersonen wie Frau Lindqvist verfuegbar geworden sind, uebermittelt der Urheber einer fuer die Veroeffentlichung im Internet bestimmten Seite die fuer diese Seite konstitutiven Daten seinem Host-Service-Provider. Dieser verwaltet die EDV-Infrastruktur, die zur Speicherung dieser Daten und fuer die Verbindung mit dem Server, auf dem die Internetseite untergebracht ist, notwendig ist. Dies ermoeglicht die spaetere uebermittlung dieser Daten an jede mit dem Internet verbundene Person, die sie erhalten moechte. Die Rechner, die diese EDV-Infrastruktur bilden, koennen sich in einem oder mehreren anderen Laendern als dem der Niederlassung des Host-Service-Providers befinden - was oft der Fall ist -, ohne dass dessen Kunden hiervon Kenntnis haben oder normalerweise Kenntnis nehmen koennen.
60.
Aus den Akten geht hervor, dass ein Internetbenutzer zum Erhalt der Informationen auf den Internetseiten, in die Frau Lindqvist Daten ueber ihre Kollegen aufgenommen hatte, nicht nur eine Verbindung zum Internet herstellen, sondern auch - eigenhaendig - die notwendigen Schritte zum Einsehen dieser Seiten unternehmen musste. Die Internetseiten von Frau Lindqvist enthielten, anders gesagt, nicht die technischen Mechanismen, die einen automatischen Versand dieser Informationen an Personen ermoeglicht haetten, die diese Seiten nicht bewusst aufgesucht hatten.
61.
Daraus folgt, dass unter Umstaenden wie denen des Ausgangsverfahrens die personenbezogenen Daten, die von einer Person aus, die sie auf eine Website hochgeladen hat, in den Rechner einer sich in einem Drittland befindenden Person gelangen, nicht zwischen diesen beiden Personen unmittelbar, sondern ueber die EDV-Infrastruktur des Host-Service-Providers, auf der die Seite gespeichert ist, uebermittelt worden sind.
62.
Dies ist der Kontext, in dem zu pruefen ist, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber im Hinblick auf die Anwendung von Kapitel IV der Richtlinie 95/46 unter den Begriff uebermittlung von Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 dieser Richtlinie auch Vorgaenge fassen wollte, wie sie von Frau Lindqvist ausgefuehrt worden sind. Zu beachten ist, dass die fuenfte Frage des vorliegenden Gerichts nur diese und nicht jene Vorgaenge betrifft, die von den Host-Service-Providern ausgefuehrt werden.
63.
Kapitel IV der Richtlinie 95/46, in dem Artikel 25 steht, sieht eine Sonderregelung vor, die besondere Bestimmungen fuer die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Kontrolle der uebermittlung personenbezogener Daten in Drittlaender enthaelt. Mit diesem Kapitel ist eine Regelung eingefuehrt worden, die die allgemeine Regelung von Kapitel II der Richtlinie 95/46, die die Rechtmaessigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten betrifft, ergaenzt.
64.
Der Zweck des Kapitels IV wird in den Begruendungserwaegungen 56 bis 60 der Richtlinie 95/46 dargelegt; darin heisst es u.a., dass der in der Gemeinschaft durch diese Richtlinie garantierte Schutz von Personen der uebermittlung personenbezogener Daten in Drittlaender, die ein angemessenes Schutzniveau aufweisen, zwar nicht entgegensteht, dass jedoch die Angemessenheit dieses Schutzniveaus unter Beruecksichtigung aller Umstaende hinsichtlich einer uebermittlung oder einer Kategorie von uebermittlungen zu beurteilen ist. Bietet ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau, so ist die uebermittlung personenbezogener Daten in dieses Land zu untersagen.
65.
Artikel 25 der Richtlinie 95/46 erlegt den Mitgliedstaaten und der Kommission eine Reihe von Verpflichtungen zur Kontrolle der uebermittlung personenbezogener Daten in Drittlaender unter Beruecksichtigung des in jedem dieser Laender fuer diese Daten bestehenden Schutzniveaus auf.
66.
Artikel 25 Absatz 4 der Richtlinie 95/46 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dann, wenn die Kommission feststellt, dass ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau aufweist, die erforderlichen Massnahmen treffen, damit keine uebermittlung personenbezogener Daten in das betreffende Drittland erfolgt.
67.
Kapitel IV der Richtlinie 95/46 enthaelt keine Bestimmung ueber die Benutzung des Internets. So fuehrt es auch keine Kriterien fuer die Klaerung der Frage an, ob fuer die unter Vermittlung von Host-Service-Providern ausgefuehrten Vorgaenge auf den Ort der Niederlassung oder des beruflichen Sitzes des Providers oder aber auf den oder die Orte abzustellen ist, an denen sich die Rechner befinden, die die EDV-Infrastruktur des Providers ausmachen.
68.
Angesichts des Entwicklungsstands des Internets zur Zeit der Ausarbeitung der Richtlinie 95/46 und des Fehlens von Kriterien fuer die Internetbenutzung in Kapitel IV dieser Richtlinie kann nicht angenommen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber unter den Begriff uebermittlung von Daten in ein Drittland im Vorgriff auch den Vorgang fassen wollte, dass eine Person in der Lage von Frau Lindqvist Daten in eine Internetseite aufnimmt, auch wenn diese Daten dadurch Personen aus Drittlaendern zugaenglich gemacht werden, die ueber die technischen Mittel fuer diesen Zugang verfuegen.
69.
Wuerde Artikel 25 der Richtlinie 95/46 dahin ausgelegt, dass immer dann, wenn personenbezogene Daten auf eine Internetseite hochgeladen werden, eine uebermittlung von Daten in ein Drittland vorliegt, so waere diese uebermittlung notwendig eine solche in alle Drittlaender, in denen die fuer einen Zugang zum Internet notwendigen technischen Mittel vorliegen. Damit wuerde die in Kapitel IV der Richtlinie 95/46 vorgesehene Sonderregelung notwendig zu einer allgemeinen Regelung fuer Vorgaenge im Rahmen des Internets werden. Sobald die Kommission nach Artikel 25 Absatz 4 der Richtlinie 95/46 feststellen wuerde, dass auch nur ein Land kein angemessenes Schutzniveau aufweist, waeren die Mitgliedstaaten naemlich verpflichtet, jede Aufnahme personenbezogener Daten in das Internet zu unterbinden.
70.
Deshalb ist Artikel 25 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass Vorgaenge, wie sie von Frau Lindqvist ausgefuehrt worden sind, als solche keine uebermittlung von Daten in ein Drittland darstellen. Daher braucht nicht untersucht zu werden, ob eine Person aus einem Drittland zu der betreffenden Internetseite Zugang hatte oder ob sich der Server des betreffenden Providers in einem Drittland befindet.
71.
Somit ist auf die fuenfte Frage zu antworten, dass keine uebermittlung von Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 vorliegt, wenn eine sich in einem Mitgliedstaat aufhaltende Personen in eine Internetseite, die bei ihrem in demselben oder einem anderen Mitgliedstaat ansaessigen Host-Service-Provider gespeichert ist, personenbezogene Daten aufnimmt und diese damit jeder Person, die eine Verbindung zum Internet herstellt, einschliesslich Personen in Drittlaendern, zugaenglich macht.

Zur sechsten Frage

72.
Mit seiner sechsten Frage moechte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 fuer einen Fall wie den vorliegenden eine Beschraenkung enthalten, die im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit oder zu anderen innerhalb der Europaeischen Union geltenden Rechten und Freiheiten steht, die u.a. dem Recht aus Artikel 10 EMRK entsprechen.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklaerungen

73.
Frau Lindqvist macht u.a. unter Hinweis auf das Urteil vom 6. Maerz 2001 in der Rechtssache C-274/99 P (Connolly/Kommission, Slg. 2001, I-1611) geltend, die Richtlinie 95/46 und das PUL verstiessen gegen den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit, soweit sie Voraussetzungen einer vorherigen Einwilligung und einer vorherigen Mitteilung an eine Kontrollbehoerde sowie ein generelles Verbot der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten einfuehrten. Insbesondere genuege das Tatbestandsmerkmal ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten nicht den Kriterien der Vorhersehbarkeit und Genauigkeit.
74.
Ausserdem koenne der blosse Umstand, dass eine natuerliche Person namentlich genannt werde, dass ihre Telefonnummern und Arbeitsbedingungen bekannt gegeben und dass Informationen ueber ihren Gesundheitszustand und ihre Freizeitbeschaeftigungen gegeben wuerden, Informationen, die oeffentlich zugaenglich, allgemein bekannt gegeben oder banal seien, keinen schweren Verstoss gegen das Recht auf Achtung der Privatsphaere begruenden. Jedenfalls seien die mit der Richtlinie 95/46 auferlegten Beschraenkungen angesichts des angestrebten Zweckes, das Ansehen und die Privatsphaere anderer zu schuetzen, unverhaeltnismaessig.
75.
Die schwedische Regierung vertritt die Ansicht, die Richtlinie 95/46 ermoegliche es, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwaegen und damit die Meinungsfreiheit und den Schutz der Privatsphaere zu wahren. Zudem seien nur die nationalen Gerichte unter Beruecksichtigung der Umstaende jedes Einzelfalls in der Lage, die Angemessenheit der mit der Anwendung von Vorschriften zur Wahrung der Rechte anderer verbundenen Beschraenkung der Ausuebung des Rechts auf Meinungsfreiheit zu beurteilen.
76.
Die niederlaendische Regierung weist darauf hin, dass sowohl die Meinungsfreiheit als auch das Recht auf Wahrung der Privatsphaere zu den allgemeinen Rechtsgrundsaetzen gehoerten, deren Wahrung der Gerichtshof sicherstelle, und dass die EMRK keine Hierarchie zwischen den verschiedenen Grundrechten aufstelle. Daher muesse sich das nationale Gericht bemuehen, die verschiedenen betroffenen Grundrechte unter Beruecksichtigung der Umstaende des Einzelfalls miteinander in Einklang zu bringen.
77.
Die Regierung des Vereinigten Koenigreichs fuehrt aus, ihr in Randnummer 55 dieses Urteils dargelegter Vorschlag einer Antwort auf die fuenfte Frage stehe mit den Grundrechten in vollem Einklang und ermoegliche es, einen unverhaeltnismaessigen Eingriff in die Meinungsfreiheit zu verhindern. Auch waere eine Auslegung, die dahin ginge, dass die Bekanntgabe personenbezogener Daten in einer bestimmten Form, naemlich auf einer Internetseite, viel strengeren Beschraenkungen unterliege als eine Bekanntgabe in anderer Form, wie etwa auf Papier, kaum zu rechtfertigen.
78.
Auch die Kommission meint, dass die Richtlinie 95/46 nicht zu einer Beschraenkung fuehre, die gegen den allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit oder andere in der Europaeischen Union geltende Rechte und Freiheiten, die namentlich dem in Artikel 10 EMRK normierten Recht entspraechen, verstosse.

Antwort des Gerichtshofes

79.
Der siebten Begruendungserwaegung der Richtlinie 95/46 zufolge koennen die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes durch die in den nationalen Regelungen ueber die Verarbeitung personenbezogener Daten bestehenden Unterschiede in schwerwiegender Weise beeintraechtigt werden. Nach der dritten Begruendungserwaegung der Richtlinie 95/46 muss die Harmonisierung dieser nationalen Regelungen nicht nur auf den freien Verkehr dieser Daten zwischen Mitgliedstaaten, sondern auch auf die Wahrung der Grundrechte der Personen abzielen. Diese Ziele koennen offenkundig miteinander in Konflikt geraten.
80.
Einerseits wird die wirtschaftliche und soziale Integration, die sich aus der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarktes ergibt, notwendig zu einer spuerbaren Zunahme der Stroeme personenbezogener Daten zwischen allen am wirtschaftlichen und sozialen Leben der Mitgliedstaaten Beteiligten fuehren, unabhaengig davon, ob es sich dabei um Unternehmen oder um Verwaltungen der Mitgliedstaaten handelt. Diese Beteiligten muessen in gewissem Umfang ueber personenbezogene Daten verfuegen koennen, um in dem Raum ohne Grenzen, den der Binnenmarkt bildet, ihre Geschaefte taetigen oder ihre Aufgabe erfuellen zu koennen.
81.
Andererseits verlangen die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen zu Recht, dass diese Daten wirksam geschuetzt werden.
82.
Die Mechanismen, die eine Abwaegung der verschiedenen Rechte und Interessen ermoeglichen, sind zum einen in der Richtlinie 95/46 selbst festgelegt, soweit diese Vorschriften enthaelt, die bestimmen, in welchen Situationen und in welchem Umfang die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmaessig ist und welche Schutzvorkehrungen vorzusehen sind. Zum anderen resultieren sie aus dem Erlass nationaler Regelungen zur Umsetzung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten sowie aus der moeglichen Anwendung dieser Regelungen durch die nationalen Behoerden.
83.
Was die Richtlinie 95/46 selbst betrifft, so sind deren Bestimmungen notwendig verhaeltnismaessig allgemein gehalten, da sie auf viele ganz unterschiedliche Situationen Anwendung finden soll. Zu Recht enthaelt diese Richtlinie daher entgegen der Auffassung von Frau Lindqvist Vorschriften, die durch eine gewisse Flexibilitaet gekennzeichnet sind, und ueberlaesst es in vielen Faellen den Mitgliedstaaten, die Einzelheiten zu regeln oder zwischen Optionen zu waehlen.
84.
Zwar verfuegen die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie 95/46 in vielerlei Hinsicht ueber einen Handlungsspielraum. Dennoch laesst nichts die Annahme zu, dass es der in ihr vorgesehenen Regelung an Vorhersehbarkeit mangelt oder dass ihre Bestimmungen als solche gegen die allgemeinen Grundsaetze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschuetzten Grundrechte, verstossen.
85.
Daher muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den genannten Rechten und Interessen eher auf nationaler Ebene im Stadium der Anwendung der die Richtlinie 95/46 umsetzenden Regelung auf konkrete Faelle gefunden werden.
86.
In diesem Zusammenhang kommt den Grundrechten besondere Bedeutung zu, wie das Ausgangsverfahren zeigt, in dem es im Kern darum geht, die Meinungsfreiheit von Frau Lindqvist im Rahmen ihrer Arbeit als Katechetin und die Freiheit, Taetigkeiten auszuueben, die zum religioesen Leben beitragen, gegen den Schutz der Privatsphaere der Personen abzuwaegen, ueber die Frau Lindqvist Daten auf ihre Website gestellt hat.
87.
Demgemaess haben die Behoerden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit der Richtlinie 95/46 auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinie stuetzen, die mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschuetzten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsaetzen des Gemeinschaftsrechts, wie dem Grundsatz der Verhaeltnismaessigkeit, kollidiert.
88.
Zwar erfordert der Schutz der Privatsphaere die Anwendung wirksamer Sanktionen gegen Personen, die personenbezogene Daten in mit der Richtlinie 95/46 nicht vereinbarer Weise verarbeiten, doch muessen solche Sanktionen stets den Grundsatz der Verhaeltnismaessigkeit wahren. Das gilt umso mehr, als der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 sehr weit ist und die den Personen, die personenbezogene Daten verarbeiten, obliegenden Verpflichtungen zahlreich und weitgehend sind.
89.
Nach dem Grundsatz der Verhaeltnismaessigkeit hat das vorlegende Gericht alle Umstaende der Rechtssache, mit der es befasst ist, insbesondere die Dauer der Zuwiderhandlung gegen die die Richtlinie 95/46 durchfuehrenden Vorschriften und die Bedeutung, die der Schutz der verbreiteten Daten fuer die Betroffenen hat, zu beruecksichtigen.
90.
Demgemaess ist auf die sechste Frage zu antworten, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 als solche keine Beschraenkung enthalten, die im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit oder zu anderen innerhalb der Europaeischen Union geltenden Rechten und Freiheiten steht, die u.a. dem Recht aus Artikel 10 EMRK entsprechen. Es ist Sache der nationalen Behoerden und Gerichte, die fuer die Anwendung der die Richtlinie 95/46 umsetzenden nationalen Regelung zustaendig sind, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen einschliesslich der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschuetzten Grundrechte sicherzustellen.

Zur siebten Frage

91.
Mit seiner siebten Frage moechte das vorlegende Gericht wissen, ob es den Mitgliedstaaten freisteht, einen weiter gehenden Schutz fuer personenbezogene Daten oder einen weiteren Anwendungsbereich als nach der Richtlinie 95/46 vorzusehen.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklaerungen

92.
Die schwedische Regierung vertritt die Auffassung, die Richtlinie 95/46 lege nicht nur Mindestanforderungen an den Schutz personenbezogener Daten fest. Vielmehr seien die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie zur Verwirklichung des durch diese vorgegebenen Schutzniveaus verpflichtet, so dass sie keinen staerkeren oder schwaecheren Schutz vorsehen duerften. Zu beachten sei jedoch der den Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Umsetzung eingeraeumte Ermessensspielraum im Hinblick auf die genaue Festlegung der allgemeinen Voraussetzungen, unter denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmaessig sei, im innerstaatlichen Recht.
93.
Nach Ansicht der niederlaendischen Regierung verbietet es die Richtlinie 95/46 den Mitgliedstaaten nicht, in bestimmten Bereichen einen staerkeren Schutz vorzusehen. Aus den Artikeln 10, 11 Absatz 1, 14 Absatz 1 Buchstabe a, 17 Absatz 3, 18 Absatz 5 und 19 Absatz 1 dieser Richtlinie gehe beispielsweise hervor, dass sie einen weiter gehenden Schutz vorsehen koennten. Ausserdem stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Grundsaetze der Richtlinie 95/46 auch auf Taetigkeiten anzuwenden, die nicht in deren Anwendungsbereich fielen.
94.
Die Kommission macht geltend, die Richtlinie 95/46 sei auf Artikel 100a EG-Vertrag gestuetzt; wenn ein Mitgliedstaat Rechtsvorschriften beibehalten oder einfuehren wolle, die von dieser Harmonisierungsrichtlinie abwichen, muesse er sie der Kommission gemaess Artikel 95 Absatz 4 oder Absatz 5 EG mitteilen. Infolgedessen duerften die Mitgliedstaaten keinen weiter gehenden Schutz personenbezogener Daten oder einen weiteren Anwendungsbereich als nach der Richtlinie vorsehen.

Antwort des Gerichtshofes

95.
Wie sich insbesondere aus ihrer achten Begruendungserwaegung ergibt, bezweckt die Richtlinie 95/46, hinsichtlich der Rechte und Freiheiten von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in allen Mitgliedstaaten ein gleichwertiges Schutzniveau herzustellen. Nach der zehnten Begruendungserwaegung der Richtlinie 95/46 darf ausserdem die Angleichung der einschlaegigen nationalen Rechtsvorschriften nicht zu einer Verringerung des durch diese Vorschriften garantierten Schutzes fuehren, sondern muss im Gegenteil darauf abzielen, in der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.
96.
Die Harmonisierung dieser nationalen Rechtsvorschriften ist daher nicht auf eine Mindestharmonisierung beschraenkt, sondern fuehrt zu einer grundsaetzlich umfassenden Harmonisierung. Im Hinblick darauf will die Richtlinie 95/46 den freien Verkehr personenbezogener Daten sicherstellen, wobei sie zugleich ein hohes Niveau des Schutzes der Rechte und Interessen der von diesen Daten betroffenen Personen gewaehrleistet.
97.
Zwar trifft es zu, dass die Richtlinie 95/46 den Mitgliedstaaten einen weiten Handlungsspielraum in bestimmten Bereichen einraeumt und sie ermaechtigt, fuer bestimmte Faelle besondere Regelungen beizubehalten oder einzufuehren, wie viele ihrer Bestimmungen zeigen. Von diesen Moeglichkeiten muss aber in der in der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Art und Weise und im Einklang mit ihrem Ziel Gebrauch gemacht werden, ein Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphaere zu wahren.
98.
Dagegen sind die Mitgliedstaaten durch nichts daran gehindert, den Geltungsbereich der die Richtlinie 95/64 umsetzenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht erfasste Bereiche auszudehnen, soweit dem keine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entgegensteht.
99.
Aufgrund dessen ist auf die siebte Frage zu antworten, dass die von den Mitgliedstaaten zur Gewaehrleistung des Schutzes personenbezogener Daten getroffenen Massnahmen sowohl mit den Bestimmungen der Richtlinie 95/46 als auch mit deren Ziel im Einklang stehen muessen, ein Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphaere zu wahren. Dagegen sind die Mitgliedstaaten durch nichts daran gehindert, den Geltungsbereich der die Richtlinie 95/64 umsetzenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht erfasste Bereiche auszudehnen, soweit dem keine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entgegensteht.

Kosten

100.
Die Auslagen der schwedischen und der niederlaendischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Koenigreichs, der Kommission und der EFTA-ueberwachungsbehoerde, die Erklaerungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfaehig. Fuer die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhaengigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gruenden hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Goeta hovraett mit Beschluss vom 23. Februar 2001 vorgelegten Fragen fuer Recht erkannt:

1. Die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und diese entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen ueber ihr Arbeitsverhaeltnis oder ihre Freizeitbeschaeftigungen, erkennbar zu machen, stellt eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europaeischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natuerlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr dar.

2. Eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten faellt unter keine der in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 genannten Ausnahmen.

3. Die Angabe, dass sich eine Person den Fuss verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, gehoert zu den personenbezogenen Daten ueber die Gesundheit im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 95/46.

4. Es liegt keine uebermittlung von Daten in ein Drittland im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 vor, wenn eine sich in einem Mitgliedstaat aufhaltende Person in eine Internetseite, die bei einer in demselben oder einem anderen Mitgliedstaat ansaessigen natuerlichen oder juristischen Person gespeichert ist, die die Website unterhaelt, auf der diese Seite abgerufen werden kann, personenbezogene Daten aufnimmt und diese damit jeder Person, die eine Verbindung zum Internet herstellt, einschliesslich Personen in Drittlaendern, zugaenglich macht.

5. Die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 enthalten als solche keine Beschraenkung, die im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit oder zu anderen innerhalb der Europaeischen Union geltenden Rechten und Freiheiten steht, die u.a. dem Recht aus Artikel 10 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europaeischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechen. Es ist Sache der nationalen Behoerden und Gerichte, die fuer die Anwendung der die Richtlinie 95/46 umsetzenden nationalen Regelung zustaendig sind, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen einschliesslich der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschuetzten Grundrechte sicherzustellen.

6. Die von den Mitgliedstaaten zur Gewaehrleistung des Schutzes personenbezogener Daten getroffenen Massnahmen muessen sowohl mit den Bestimmungen der Richtlinie 95/46 als auch mit deren Ziel im Einklang stehen, ein Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphaere zu wahren. Dagegen sind die Mitgliedstaaten durch nichts daran gehindert, den Geltungsbereich der die Richtlinie 95/64 umsetzenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht erfasste Bereiche auszudehnen, soweit dem keine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entgegensteht.

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 30.01.04
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