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Rolf Schaelike - Zeitzeuge

Fallbeispiele

 

Fremde Menschen

Der Mandant hat immer Schuld

Fallbeispiel 1  -  Ihr Mandat ist ein geborener Schwindler

 

Vorlesung eines angesehenen Hamburger Rechtsanwaltes
am 2. Tag des Offenen Wortes  -  Fachhochschule ....

von Rolf Schaelike - Mai 2004

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

in meiner ersten Vorlesung zum Tag des offenen Wortes unser Fachhochschule sprach ich zum Thema

 Ich bin endlich wer - ein angesehener Rechtsanwalt !

Ich versprach, mit Ihnen Fallbeispiele durchzugehen zu der folgenden Aussage:

"Die meisten Verfahren mache ich mit links. Studiere die Akten erst im Gerichtsaal. Wenn was schief laeuft, hat der Mandant immer schuld. Hat mich nicht vorbereitet, also mir Informationen vorenthalten."

Vorab zur Erlaeuterung:

Seien sie nicht so dumm, sich mit Ihrem Mandanten zu identifizieren. Sonst bekommen Sie noch Gewissensbisse.

Versetzen sie sich in den Mandanten nur im Hinblick auf seine Bereitschaft, Sie zu bezahlen.

An Stelle des Rechts gibt es doch nur den Rechtsstaat. Dieser  funktioniert nach Gesetzen, die wir Juristen interpretieren und anwenden.

Ob ihr Mandant Recht bekommt bzw. sein schwindendes Restvermoegen rettet, hat Sie kaum zu interessieren. Lediglich im Hinblick darauf, dass er Sie noch einmal bezahlt. Denn: "Das Geld ist nicht weg, es ist nur woanders."

Achten sie lediglich auf ihren Ruf. Dieser ist blankes Kapital.
Diese hat mit eventuellen Erfolgen vor Gericht nichts zu tun.
Wichtig lediglich, wen Sie vertreten. Das laesst sich gut verkaufen.

Waehrend jeder Mandant meist nur ein Urteil zu verkraften hat, ertragen Sie als Anwalt alle Mandanten. Mehrere an einem Tag. Schaffen Sie da, immer abzuschalten?
Laufen Sie nicht Gefahr, manchmal Mandanten und Gegner zu verwechseln?

Fallbeispiel 1

Zu ihnen kommt ein geborener Luegner, ein Meister des Betrugs. Sie erkennen ihn sofort, denn Sie sind ihm sehr aehnlich.

Dem Meister gelang, auch mit hoher privater Verschuldung geschaeftsfuehrender Gesellschafter einer Hamburger Firma zu werden. Nur, weil seine Schwester den Neffen des Firmengruenders geheiratet hat. Die Firmeninhaber hatten sich zunaechst gegen seine Einstellung gestraeubt.  So bedurfte es seiner meisterlichen ueberredungskuenste, den Firmengruender derart zu umgarnen, dass er seine Einstellung schliesslich gegen Widerstand aller anderen durchsetzte.

Nach Ablauf dreier Jahre kam es, wie es kommen musste.
Weil er selbst die Geschaeftsfuehrer angelogen hatte,  wurde er entlassen. Seine Gesellschafteranteile wurden sofort eingezogen. Zum ihrem eigenen Schutz entschieden die Gesellschafter, Schritte zu unternehmen, die ausschliessen sollten, noch einmal auf den charmanten Luegenmeister ´reinzufallen. Um nicht noch weiter in seine Machenschaften hineingezogen zu werden, warnte man oeffentlich vor ihm. Ausserdem zeigte die Firma ihn an wegen Diebstahl und Betrug. Seine "Partner", mit denen er im Alleingang betruegerische Vertraege geschlossen hatte, wurden vor knallharte Tatsachen gestellt:

Jetzt moechte er seine frueheren Partner verklagen

  • auf Wiedereinstellung in die Firma
  • auf Wiederherstellung als Gesellschafter, falls seine Gesellschafteranteile eingezogen werden
  • auf Rueckzahlung des Gesellschafterdarlehens
  • auf Befreiung aus der Buergschaft fuer die Kontoueberziehung bei der Bank
  • auf Auszahlung seiner Gesellschafteranteile

und

  • natuerlich auf Schadensersatz in Millionenhoehe.

Sie erkennen sofort die Widerspruechlichkeit seiner Wuensche. Sie wissen, der Meister weiss nicht, was er will. Sie haben einen wahren Meister vor sich.

Sie stellen sich die Frage: Wie kann der Meister wieder eingestellt werden wollen und gleichzeitig das Gesellschafterdarlehen zurueckfordern und die Firma damit in die Pleite treiben? Wer saegt denn am Ast, auf dem er sitzt? Wie kann der Meister wieder Gesellschafter werden wollen und gleichzeitig auf der Auszahlung seiner Anteile bestehen?

Kurz gesagt, es ist alles dem Grunde nach offensichtlicher Unsinn. Aber wie soll es bei ihrem Seelenbruder auch anders sein.

Nun stelle ich ihnen, an sie die zukuenftigen Rechtsanwaelte, folgende Fragen:

Wie entscheiden Sie bei dieser Vielfalt sich widersprechender Forderungen eines geborenen Schwindlers ?

1. Sie finden eine nichts sagende Begruendung, um die uebernahme der Mandantschaft abzulehnen?

2. Sie gehen mit dem Meister alle Schwindeleien durch und entwickeln eine gemeinsame Strategie?

3. Sie uebernehmen die Mandantschaft und entwickeln allein ohne dem Meister ihre Strategie?

Zu 1:
Keinesfalls die Mandantschaft ablehnen. Was haben Sie davon? Wo fliesst dann das Geld eines ehrbaren Hamburger Kaufmanns auf ihr Konto?

Zu 2:
Die Entwicklung gemeinsamer Strategien waere noch duemmer. Es kostet nur sinnlose Zeit. Es waere wie beim Schach. Sie koennen doch nicht gegen sich selber spielen. Das Spiel endet  immer unentschieden oder sie verlieren beide Partien. Ausserdem widerspricht es ihrem Grundsatz, alles mit links zu machen.

Zu 3:
Natuerlich uebernehmen sie die Mandantschaft und entwickeln eine Strategie, genauer sie handeln nach von ihnen laengst erprobten Schemata. Das spart ihnen viel Zeit und sie koennen ihr Leben geniessen.

Beachten sie aber unbedingt folgende Regeln:

Regel 1:
Da der Mandant schwindelt, sind konkrete handfeste eigene Strategien nicht entwickelbar. Das kommt ihnen entgegen. Sie koennen zusaetzlich Zeit sparen, viel mehr als bei anderen weniger im Schwindeln geuebten Mandanten.

Regel 2:
Sie muessen mitschwindeln. uebernehmen sie die Worte und Schriftstuecke ihres Meisters eins zu eins in ihre Klagen und Schreiben an die Gerichte. Das spart ebenfalls Zeit und Nerven. Sie brauchen sich in den Sachstand nicht rein zu versetzen. Fliegen sie lieber nach Spanien an den sonnigen Strand.

Regel 3:
Beantragen Sie beim Gericht so haeufig wie es nur geht, Terminverschiebung wegen ueberlastung oder noch besser - die Aussetzung des Verfahrens wegen offener anderer wichtigerer Verfahren zwischen den streitenden Parteien. Das Gericht macht bei Terminverschiebung immer mit. Das andere ist schwieriger. Klappt nicht immer. Passt aber ins Schema, ins allgemeine Konzept. Die Gegenpartei ist genervt, sollte sie eine sachliche Loesung anstreben.

Regel 4:
Schreiben sie nichts an die Rechtsanwaelte der Gegenpartei, erst recht nichts an die Gegner direkt.
Kommunizieren sie nur ueber das Gericht und die Staatsanwaltschaft.

Bei den vielen Forderungen ihres Mandanten wittern sie eine Chance.

Mit der Wiedereinstellung haben sie Glueck.
Vor drei Jahren war der Meister in der Gesellschaft nur Mitarbeiter auf Teilzeit mit einem Arbeitsvertrag auf Probe. Die Probezeit hat er gut gemeistert. Der Umstieg zum Geschaeftsfuehrer erfolgte trickreich ohne schriftlichen Vertrag. Es war zwar seine Aufgabe, einen solchen zu erstellen, auch fuer die anderen Geschaeftsfuehrer, aber als Meister hat er in den drei Jahren die Deppen taeuschen koennen und mit viel Bla, Bla  verstanden, keinen schriftlichen Vertrag erstellen zu muessen.

Sie klagen zunaechst auf Widereinstellung zu den Bedingungen des urspruenglichen Teilzeit-Arbeitsvertrages. Ist natuerlich flacher Unsinn. Dem Mandanten rechnen Sie Gewinnchancen vor. Da er ein Schwindler ist, ist Ihr Risiko, wegen Falschberatung erwischt zu werden, so gut wie Null. Entweder sie gewinnen, weil die Deppen bloed, ueberfordert und ueberlastet sind oder sie verlieren, weil die Bloediane Beweise vorlegen, die ihnen ihr Meister nicht vorgelegt und nicht dargelegt hat.

Verlieren sie den Prozess, so nutzen sie geschickt die Veraergerung des Meisters. Hoeren sie ihm gut zu. Es ergeben sich neue Chancen, seine neuen Schwindeleien in Honorare umzuwandeln. Denken sie dabei an einstweilige Verfuegungen, eidesstattliche Erklaerungen und andere Tricks, die wir in den naechsten Stunden genauer ueben werden.

Mit der Einziehung ist es juristisch schwieriger. Zunaechst ist der Meister ja noch Gesellschafter. Eigentlich kommt die Einziehung seiner Gesellschafteranteile durch diese Deppen ihrem Mandanten entgegen. Als Nichtgesellschafter kann er das Gesellschafterdarlehen leichter bei denen zurueckfordern und die Deppen in persoenliche Haftung nehmen. Aber das waere zu einfach. Seien sie vorsichtig. Sie sollten wissen, jede Einfachheit hat ihre unsichtbaren Ecken, Fallen und Tuecken. Das ist das Risiko nicht wert.

Sie gehen den geraden Weg. Sie vertrauen wieder auf die Schwindeleien ihres Mandanten. Er hat ihnen erzaehlt, die Gesellschaft ist Millionen wert. Sie wissen, dass das nicht stimmt, die verbliebenen Gesellschafter haben ihnen das mitgeteilt. Aber wir sind im Umdrehen von Tatsachen nur von wenigen zu uebertreffen. Wir lassen uns auf die Schwindeleien unseres Mandanten ein und organisieren eine Gesellschafterversammlung bei dem Firmen-Rechtsanwalt, der aber auf unserer Seite steht. Das wissen die anderen, diese Deppen und Trampels, nicht. Die von uns organisierten Gesellschafter-Beschluesse muessen formal nichtig sein. Das muessen wir - trotzt moeglicher Pannen und unangenehmer Zeugen - auf der Versammlung gut hinbekommen. Zur Sicherheit - man kann nie wissen was fuer Zicken diese Ehrlichkeitsfanatiker von sich geben werden - sind moeglichen Zeugen, z.B. Mitarbeiter der eigenen Kanzlei, mitzubringen. Eine Klage auf Nichtigkeit ist damit vorprogrammiert.  Die Deppen werden die Nichtigkeit anerkennen muessen, spaetestens nach mehreren teueren Gerichtsbeschluessen. Ist die Gegenseite gut beraten, dann laesst es diese erst gar nicht zum Gerichtsverfahren kommen.

Gehen sie davon aus, die Gegenseite ist gut beraten und erkennt die Klage an. Ihre Rechnung faellt zwar geringer aus, aber ihr Mandant ist ausser sich vor Freude, erzaehl das allen seinen Freunden und Verwandten. Ihr guter Ruf waechst. Der Meister weiss nicht, dass er in Wahrheit verloren hat. Sein Gesellschafterdarlehen wird er nun kaum wieder sehen und die Firma in die Insolvenz zu treiben, wird ihm noch mehr Schwierigkeiten und Kosten bereiten. Auch seine Freunde, die ihm Geld fuer seine Plaene geliehen haben, werden vorsichtiger.
Sie sollten ihren Meister keinesfalls aufklaeren.

Versuchen sie doch, die Glaubwuerdigkeit seiner Aussagen zu untermauern und beantragen sie beim Gericht einen moeglichst hohen Streitwert. Beziehen sie sein Gesellschafterdarlehen und seine Buergschaft mit in den Streitwert ein. Sie wissen, das ist primitiv, aber die Richter sehen nicht immer durch, der Rechtsanwalt der Gegenseite ist eigentlich auch an einem hohen Streitwert interessiert, er wird seinen Mandanten nicht zur Klage raten, wenn das Gericht falsch entscheidet. In jedem Falle legt das Gericht einen wesentlich hoeheren Streitwert fest, als die Anteile des Meisters tatsaechlich wert sind. Auch ihr Mandant ist wieder zufrieden. Er hat es den anderen gegeben und gezeigt. Lassen sie ihn in diesem irrigen Glauben.

Sollten sie spaeter von ihrem Mandanten zur Rede gestellt werden  - auch ihr Meister hat manchmal Lichtblicke, seine Schwindelkuenste haben sein Hirn noch nicht ganz vernebelt  -, verweisen sie darauf, dass aus der Firma Millionen herausgeholt werden koennen. Als Gesellschafter ist er da naeher an der springenden Geldquelle und hat bessere Zugriffsrechte. Er selber muss ihnen nachweisen, dass die Firma nichts wert ist. Streiten sie ab, die Firma ist in Hamburg die groesste, die Deppen verstecken nur alles, es sind Hallunken und Betrueger. Den werden sie es gemeinsam mit dem Meister zeigen.

Den Mandanten zu Erkenntnis kommen zu lassen, dass er selber Schuld hat, ist fuer sie dann ein leichtes Spiel. Er wird ihnen das selber auf die Nase binden muessen oder verlaesst das Schwindelschiff.

Weisen sie ihm keinesfalls die Schuld direkt nach. Das Wort "Schuld" muss fuer sie tabu sein. Sagen sie, die Richter sind unabhaengig, entscheiden nicht nachvollziehbar, weitere Klagen kosten viel, viel Geld. Erlaeutern sie Ihrem Mandanten, das er leider - das muessen sie betonen - Schwierigkeiten haben wird, dem Gericht klar zu machen, dass die Firma Millionen wert ist. Gegen das Schwindeln seiner frueheren Partner ist kein Gras gewachsen, es sei denn, er waere bereit, viel, viel Geld zu investieren, weit mehr als der Streitwert, geschweige denn wirklich rauszuholen ist. So dumm seien die Richter und so freundlich sei unser Rechtssystem auch nicht.

Sie wissen, dass auch ein Pfifferling mehr Wert ist als die Firma, dass ihr Mandant geschwindelt hat.

Lassen sie ihn aber in der Hoffnung, dass sie es mit ihren Tricks, Verdrehungen, Drohungen und anderen Meisterleistungen schaffen werden, die Gegenseite in die Knie zu spielen und bei denen den letzten Pfennig heraus zu holen, auch wenn die keine Moneten haben. Erlaeutern sie das hoeflich. Sie muessen der bessere Meister sein.

Verwenden sie auch keinesfalls das Word "Schwindeln". Auch dieses Wort ist in den Gespraechen mit ihrem Mandanten fuer sie tabu. Nutzen sie juristische Denkweisen. Folgende Saetze koennen ihnen als Mustersaetze gelten:

"Ihre Firma ist Millionen wert. Das weiss ich und glaube das erst recht, aber sie wissen, diese Richter, diese Gesetze, die Beweisfuehrung ist alles sehr, sehr teuer."

oder

"Die anderen haben das Konto gepluendert. Holen sie sich das Geld von deren Privatkonto!"

"Was die Gegenseite sagt und schreibt ist doch absurd, die luegen nur. Das wissen wir beide!"
 

oder

.....

oder

.....

Eine Hausaufgabe fuer die naechste Stunde:

Formulieren sie bitte allgemein gueltige Saetze, die einen geborener Schwindler ueberzeugen.

Jeden von ihnen in meinen Klagen oder Schreiben zukuenftig uebernommenen Satz honoriere ich mit EUR 80,00, vorausgesetzt, sie koennen mir Ihre Autorenschaft und die Nutzung nachweisen.

Fuer geklaute Saetze haften sie persoenlich.

Spielen sie ihrem Mandanten die edle Ehrlichkeit vor. Auch ein geuebter und ewiger Schwindler hat sich eingeredet, er ist ehrlicher als ehrlich. Ihnen wird er glauben. Sie sind fuer ihn ein ehrlicher angesehener Hamburger  Rechtsanwalt, obwohl alle anderen Hamburger Rechtsanwaelte - das sagen ihm seine Erfahrungen - nur Betrueger und Faulenzer waren.

Sein Zug mit den Millionen ist weg, das haben sie endgueltig erkannt. Ihr Kontostand hat sich jedoch auch dank diesem Mandanten vergroessert, vorausgesetzt sie haben in ihrer Freizeit nicht zu viel getrunken und nicht eigenes Geld verspielt.

Sie wissen auch - Luegen haben kurze Beine. Gilt immer. Fuer sie darf das Sprichwort aber nicht gelten. Sie luegen auch nicht. Sie nutzen die Schwindeleien der anderen. Ihre Luegen haben lange Beine, denn es sind keine Luegen.

Zwei der fuenf Forderungen ihres Mandanten haben Sie links hinter sich gebracht. Der Stundensatz reichte zwar nicht zum Himmel, liess sich aber sehen. Sie konnten mehrmals nach Spanien aus diesem unfreundlichen Norden verschwinden.

Mit den anderen Forderungen wird es schwieriger.

Sie muessen die Erfahrungen, die sie mit der Gegenpartei gemacht haben, beachten. Ihr Mandant ist auch schlauer geworden. Es riecht nach Arbeit und bitteren Niederlagen. Braucht ihrem Ruf nicht zu schaden, aber die Arbeit koennen sie sich sparen.

Am besten sie steigen aus und uebergeben das Ganze einer anderen Anwaltskanzlei.

Wie das zu schaffen ist, erzaehle ich ihnen in der naechsten Vorlesung.

Sie bleiben ein angesehener Hamburger Rechtsanwalt und haben eine angesehene Hamburger Anwaltskanzlei.

Bitte senden Sie Ihre Kommentare an Rolf Schaelike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 263.06.06
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